Anlässlich des 30. Geburtstags des Erasmus-Programms für internationalen Austausch (Merke: 1987 war ein guter Jahrgang, auch der LHG wird dieses Jahr 30), haben wir Erfahrungsberichte von LHG-Mitgliedern gesammelt, die an diesem wunderbaren Erlebnis teilhaben durften.

Friederike Egloffstein aus Münster
Mein Erasmus in Belgien

An meiner Uni wurde ein möglicher Auslandsaufenthalt schon ab dem ersten Semester propoagiert und eine große Zahl an Partnerunis angeboten. So bewarb ich mich an der Katholischen Universität Leuven und verbrachte dort zwei Auslandssemester. Neben den fachlichen Erfahrungen und einer vollkommen anderen Art, Jura zu lehren und zu lernen war die größte Bereicherung allerdings der Kontakt mit Studierenden aller Nationen. In Belgien leben die Studenten in so genannten Kots, also dezentral angemieteten Kammern. WGs waren von der Stadtverwaltung verboten. So landete ich mit fünf Belgierinnen und drei internationalen Studentinnen in einem kleinen Stadthaus mit Garten. Das dort lebende Kaninchen bewies angesichts der dort zahlreich stattfindenden Parties starke Nerven und wir Bewohner konnten ein buntes Netzwerk aus Erasmus-Studierenden und Einheimischen aufbauen. Die sonst recht verschlossenen Belgier waren mit zweierlei zu knacken: Bier und ihrer Muttersprache. So habe ich in einem Jahr Belgien in drei Sprachen gefeiert, gelacht, studiert und auch musiziert. Als einzige Erasmus-Studentin im Universitären Orchester rückte ich noch einmal mehr an die Belgische Lebens- und Denkweise heran und lernte sie lieben. Aus der zurückhaltenden deutschen Studentin wurde so binnen eines Jahres eine kontaktfreudige Europäerin. Die Kontakte und die Verbundenheit halten bis heute!

Benedikt Bente aus München

Nach einem Austauschsemester in den USA in der elften Klasse war mir klar, dass ich diese Erfahrung noch einmal zu einem späteren Zeitpunkt machen wollte. Mein Masterprogramm gab mir durch eine relativ freie Strukturierung dazu die Gelegenheit. Italien, Spanien, Frankreich, England – das kannte ich alles schon. Warum nicht mal etwas Neues ausprobieren? Die sechs Monate in Prag waren mit die beste Zeit meines Lebens. Nicht nur die Stadt und das Land selbst boten mir eine vollkommen neue Erfahrung, auch die vielen Menschen aus aller Herren Länder, die ich im Rahmen des Erasmus Programms kennenlernen durfte. Natürlich war es viel Papierkram und ein ziemlicher Kampf, bis man sich über die Anrechnung von Leistungen im Ausland mit den jeweiligen Ansprechpartnern einig war. Aber am Ende lief dann doch alles ganz problemlos, und ich fühlte mich an einer der ältesten Universitäten der Welt genauso zu Hause wie an meiner Heimatuni in Frankfurt. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Es gibt kein besseres Aushängeschild für das politische Projekt Europa als das Erasmus Programm.

Simon Hartmann aus Bochum
In Istanbul habe ich so viel über Demokratie gelernt, wie in meinem ganzen Politikstudium nicht. Ich war im Sommer 2016 in der Türkei, als Teile des türkischen Militärs versuchten, die Macht an sich zu reißen, und dann doch von Polizeikräften und durch den zivilen Ungehorsam der Bürger aufgehalten wurden. Demokratie ist mehr die bloße Verwaltung von politischer Macht, das habe ich seitdem verstanden. Demokratie braucht engagierte Bürger, die im Krisenfall füreinander einstehen, und Volksvertreter, die durch Prinzipientreue geerdet bleiben. Seit der Putschnacht spüre ich eine tiefe Verbundenheit mit meinen türkischen Freunden. Ich teile ihr banges Hoffen über die Zukunft der Türkei ebenso wie das gemeinsame Trauern über Hiobsbotschaften, die niemals aufzuhören scheinen. Dabei könnte diese Gesellschaft durch ihren Charme und Herzlichkeit jede andere Kultur in den Schatten stellen, wenn sie nur in Frieden würde leben können.