Interview mit Johannes Dallheimer
„Der Weg der Erneuerung muss zu Ende gegangen werden!“
Johannes Dallheimer war drei Jahre Bundesvorsitzender, bis er im Januar diesen Jahres nicht mehr antrat. Wir haben nachgefragt, was er jetzt macht, was die nächsten Ziele sind und wie es mit der seiner Kandidatur als LHG-Kandidat für den FDP-Bundesvorstand aussieht.
Lukas: Johannes, nun sind zwei Monate vergangen seit der letzten Wahl. Kannst du ohne Hochschulpolitik überhaupt noch?
Johannes: (lacht) Niemand hat gesagt, dass es einfach wird! Nein im Ernst, natürlich interessiere ich mich weiterhin für die Vorgänge in der Hochschulpolitik, die Arbeit der LHGen und natürlich auch für das neue BAföG-Konzept, aber habe nun endlich auch Zeit, mich anderen Dingen zu widmen. Und das macht auch sehr viel Spaß!
Lukas: Klingt gut! Was machst du denn stattdessen?
Johannes: Ich habe endlich Zeit, mal etwas zu lesen. Mit Studium, Halbtagsjob, Engagement in der FDP und der LHG-Arbeit hatte ich die letzten drei Jahre kaum Zeit für andere Interessen. Darum genieße ich das. Ich bin auch viel in Museen, feiern und engagiere mich für die Berliner Stadtpolitik. Und nun habe ich ja auch neue Projekte. Meine Kandidatur für die FDP nimmt einiges an Zeit weg, ich kann mich ganz auf studentische Arbeit im Bundestag konzentrieren und habe ja nun noch ein neues Studium angefangen.
Lukas: Also vielbeschäftigt. Rückblickend, was würdest du sagen, war das Beste an dem Amt?
Johannes: So jung so viel Verantwortung zu übernehmen zu dürfen. Mit allen Partnern könnten wir auf Augenhöhe reden, viele gute Anträge konnten wir einbringen, manche sind heute sogar schon in Landtagen Gesetze. Das ist unglaublich motivieren. Aber auch zu sehen, was aus den Ortgruppen wird, ein tolles Gefühl. Gestern fing noch alles mit einer Mail an, dass sich 3 motivierte Studierende für die Kommilitonen einsetzen wollen, heute erziehen sie schon 20% bei den Wahlen und setzen ihre Ideen im StuPa und AStA um. Das macht Mut.
Lukas: Und das „Schlechte“?
Johannes: Nun, wir freuen uns ja immer, wenn sich viele junge Leute politisch einmischen. Aber je mehr man sich einmischt, desto mehr Zeit muss investiert werden. Man muss sich also aktiv auf einer bestimmten Ebene entscheiden, ob in der eigenen Jugend für eine Dauer auf Dinge verzichten möchte, wenn man gleichzeitig noch studieren und Geld verdienen will. Es hat mit immer viel Spaß gemacht, ich habe es nie als Belastung gesehen, aber ich habe auch viel von meiner Familie, meinen Freunden und meinen Kommilitonen abverlangt. Oftmals mussten sich deren Zeitplanungen nach mir richten, weil meine Tage zwischen Telkos, BMVen, Seminaren und FDP-Vorstandssitzungen ziemlich eingespannt waren.
Lukas: Ich fühle mit dir! Welche Themen, glaubst du denn, werden die nächsten Jahre bestimmen?
Johannes: In der Hochschulpolitik wiederholen sich natürlich viele Themen. Ich habe Bundesvorsitzende aus der Gründungszeit getroffen, die meinten, wir diskutieren heute die gleichen Themen wie vor 30 Jahren. Aber ich glaube zwei Themen werden entscheidend sein: Europa und Forschung. Natürlich ist es auch wichtig zu regeln, dass der Wohnraum günstig und die soziale Unterstützung gesichert ist. Aber auf europäischer Ebene müssen wir jetzt eine Entscheidung treffen: Das Projekt Zusammenarbeit pushen oder erstmal sein lassen? Ich bin für Ersteres. Unsere Konzepte zu Europäischen Hochschulen, zu EDU und zu einem einheitlichen Studierendenausweis sind gut. Lasst uns hier endlich anpacken. Der zweite Punkt ist die Forschung; und dieser hat auch nationale, wenn nicht europäische Bedeutsamkeit. Die großen Innovationen kommen längst nicht mehr aus Deutschland. Davon wird aber der Wohlstand in unserem Land abhängen. Wenn wir es nicht schaffen, Forschung, Praxis und wissenschaftliches Denken in den ersten Semestern bereits zu verankern, wird es schwierig, überhaupt den Status Quo aufrechtzuerhalten. Es braucht möglicherweise nicht mehr Dichter in diesem Land, an Denkern fehlt es uns aber!
Lukas: Gut gesagt! Nun, in der LHG haben wir ja die Ideen schon. Wie bewertest du die Arbeit der FDP-Bundestagsfraktion?
Johannes: (lacht) Ich versuche mich diplomatisch auszudrücken, auch wenn Jens Brandenburg, unser hochschulpolitischer Sprecher, kritische Fragen schon gewöhnt ist. Ich glaube, dass der Weg zwar schon richtig ist, die Schritte aber noch zu zaghaft. Beste Bildung der Welt kostet nun mal Geld. Und der Haushalt, das Wissen wir Liberale gut genug, ist nicht unendlich. Darum muss priorisiert werden. Und das geht nur, wenn alle mitziehen, gerade die Politikerinnen und Politikern aus anderen Ressorts. Es muss jetzt viel Geld investiert werden, um in ein paar Jahren die Früchte ernten zu können. Bisher ist der Wille da, monetär zeichnet sich das nicht immer ab.
Lukas: Wir stehen da intensiv in Verhandlungen mit der Fraktion. Aber du willst ja nicht nur am Rande mit kommentieren, sondern mitentscheiden. Und das als Bundesvorstandsmitglied der FDP. Dafür bist du auch von uns als Kandidat nominiert worden. Was treibt dich an?
Johannes: Ich bin 2013 Mitglied der FDP geworden, einen Tag nach der Bundestagswahl. Für mich hat sich damals die Entscheidung gestellt: Eine andere Partei suchen, die eine sichere Zukunft hat, oder den mühsamen Aufbau mitbegleiten. Ich habe Letzteres gewählt. Wir haben hart gearbeitet, auch die Liberalen Hochschulgruppen. Seit 2016 war ich kooptiert im Bundesvorstand der FDP und habe die Geschehnisse hautnah miterleben dürfen. Die Stimmung, eine Mischung aus Kreativität, Mut und die Motivation, die Partei zu retten – jetzt oder nie – es war einfach krass. Und es wurde belohnt. Wir haben seit 2017 eine erfolgreiche Fraktion im Bundestag. Nur sind wir nicht am Ende der Erneuerung. Ich verstehe, wieso die Kraft zuerst auf den Aufbau der Fraktion fokussiert wurde. Aber dabei dürfen wir nicht die Partei vernachlässigen, sondern müssen dem Weg der Erneuerung und des Leitbildes auch weiter- und zu Ende gehen. Und darum trete ich an; ich möchte ein Zeichen setzen, dass wir noch viel vor uns haben, damit uns 2013 niemals wieder passiert, auch wenn viele es schon fast wieder vergessen haben!
Lukas: Das klingt einfach, ist es aber sicher nicht. Was sind deine Ideen dazu?
Johannes: Wenn wir uns umschauen, sehen wir, dass sich die „Branche“ Partei auflockert. Wir haben hier Bürgerbewegungen wie EnMarche, Parteien, die auch Nicht-Mitgliedern viel Verantwortung übertragen, wie den NEOS, haben Initiativen und kleine, aber marketingtechnisch hochprofessionelle liberale Parteien in Osteuropa. Und auch bei uns in Deutschland verschiebt sich das politische Engagement von den starren Parteien hin zu Themen, für die man auf die Straße geht und gegebenenfalls auch Schule schwänzt. Ich möchte eine Partei, die diesen Wandel aufnimmt und vorangeht. Digitale Transparenz, eine Antragsübersicht, in dem jedes Mitglied sieht, wo sein Antrag gerade steht, Online-Schulungen für Kreisverbände, ein digitales Unterzeichnen von Mitgliederbegehen direkt an die Parteispitze, Wahlen, die nicht nur im Bundesvorstand getroffen werden, sondern von allen Mitgliedern getragen werden. Und ein einfaches Einbinden motivierter Menschen, die sich vielleicht noch nicht ganz entschieden haben, ob sie nun direkt Parteimitglied werden. Lasst uns zur modernsten Partei Deutschlands werden!
Lukas: Das klingt nach einem ambitionierten Ziel! Wie schätzt du deine Chancen ein?
Johannes: Naja, ich kann nur ein Angebot machen. Aber ich glaube, dass einer Partei immer ein ausgeglichener Vorstand aus alten Hasen mit viel Erfahrung und Jungspunde, die durchaus mal die ein oder andere radikale Idee haben, guttut. Der Kompromiss daraus ist meistens für alle tragbar und ein Fortschritt. Aber natürlich bin auch ich gespannt und ein bisschen aufgeregt für diese Wahl!
Lukas: Wir drücken alle Daumen! Kommen wir zurück zur LHG: Hast du dich nun aus der HoPo ganz zurückgezogen?
Johannes: Solange ich studiere, kann ich das kaum. Ich bin nun an der Uni Potsdam, die zwar nicht ganz so links ist wie die HU, FU oder TU in Berlin, aber trotzdem nahe ran kommt. Daher möchte ich in jedem Fall die Gruppe vor Ort unterstützen; und auch das Landeshochschulgesetz reformieren. Das wäre natürlich am einfachsten mit einer Landtagsfraktion der FDP nach der nächsten Landtagswahl – auch da helfe ich natürlich gerne mit. Und als letztes würde ich mir gerne noch einen Wunsch erfüllen: Ich möchte ins StuPa. In Bayern war die Verfasste Studierendenschaft verboten, in Erlangen-Nürnberg bestand die studentische Mitbestimmung nur aus einer kleinen Gruppe mit kläglichen Rechten. Darauf hatte ich dann auch wenig Lust. In Potsdam möchte ich das nachholen. Dann kann ich versprechen – es wird nicht kuscheliger mit der LHG im Parlament!
Lukas: Na das klingt spannend! Letzte Frage: Welchen Rat gibst du als alter Hase an die Liberale Hochschulgruppen?
Johannes: Ich weiß nicht, ob es mir zusteht, Ratschläge zu geben. Im Gegenteil, ich habe mich oftmals auch geärgert in den letzten drei Jahren ungefragt Ratschläge von ehemaligen Vorsitzenden zu bekommen. Jeder Bundesvorstand hat seine eigene Agenda, seine eigene Arbeitsweise und seine eigenen Ideen. Diese muss ich nicht teilen, aber meine Zeit in Verantwortung ist vorbei. Das muss man irgendwann auch für sich realisieren. Wenn man aber einen Wahlspruch des Verbandes formulieren müsste, würde ich diesen Vorschlag machen: „Nicht still, nicht bequem und zu allem bereit!“
Lukas: Vielen Dank für deine Zeit und das Gespräch!