Dies ist das Positionspapier des vom 09.-11. Juni 2023 in Erfurt tagenden Kongresses HOCHSCHULPOLITIK – CHANCEN UND GRENZEN DES EHRENAMTS
Chancen des Ehrenamts
Neben dem Lehrbetrieb und der Forschung ist das Ehrenamt für Studierende ein wichtiger Teil des Hochschullebens. Ob in politischen Hochschulgruppen, Fachschaften, im AStA, StuPa, Senat, in kirchlichen Hochschulgruppen oder in studentischen Initiativen, viele Studierende engagieren sich neben dem Studium an ihrer Hochschule. Das Studium ist eine Zeit in der Charakterentwicklung maßgeblich stattfindet. Ehrenamt ist ein ebenso bedeutsamer Faktor für diese Entwicklung wie die Lehre an sich.
Ein starkes Ehrenamt dient darüber hinaus auch den Hochschulen, sei es durch eine Repräsentation bei Wettbewerben, durch die Einbindung neuer Studierender, medienwirksame Projekte oder durch aktives Mitgestalten des hochschulpolitischen Diskurses. Gerade die Einbringung einer Vielfalt von Meinungen in den Entscheidungsprozess der Hochschulen kann die Resilienz erhöhen, da sowohl Probleme früher bemerkt werden, als auch mehr Lösungsstrategien entwickelt werden können.
Fachschaften sind ein zentraler Baustein, um die Erstsemester in den Hochschulbetrieb einzubinden und ihnen eine erste Orientierung im Studium zu bieten. Auch für internationale Studierende ist das Ehrenamt eine große Unterstützung, beispielsweise durch Buddy-Programme zum Kennenlernen von Alltag und Kultur und dem Erlernen der Sprache. Eine Stärkung des Ehrenamtes ist somit eine Stärkung der Hochschule, welche dieses fördern sollte. Der Kongress erkennt das Ehrenamt in seiner großen Bedeutung für die Studierenden an und fordern eine stärkere Einbeziehung des Ehrenamtes in alle Abläufe der Hochschule.
Ehrenamt in der Krise
Die Krisen der vergangenen Jahre haben das Ehrenamt und die Ehrenamtlichen vor große Herausforderungen gestellt, von dem es sich noch nicht wieder erholen konnte. Mehrere Semester ohne Präsenzbetrieb haben die Zahl der ehrenamtlich Aktiven in allen Feldern sinken lassen, da die Möglichkeit der Neumitgliedergewinnung entfallen ist.
Auch für das studentischen Ehrenamt stellen Hochschulschließungen eine Gefahr dar, da in der Zeit Studierende die Hochschulen nicht besuchen und die Gruppen die Studierenden nicht in Präsenz erreichen und für eine Mitarbeit werben konnten. Oftmals liegt durch mangelnde Raumkapazitäten außerhalb der Hochschulen dann auch das gesamte ehrenamtliche Engagement brach. Durch das Ausscheiden älterer Semester mit Abschluss des Studiums und ohne die Weiterentwicklung und Erweiterung der Gruppen durch Erstsemester können Gruppen ihre Arbeit nicht fortsetzen.
Krisenfestigkeit durch Ehrenamt
Der Kongress sieht es als notwendig an, dass Hochschulen die Ehrenamtlichen in Entscheidungsprozesse miteinbeziehen. Bei solchen Angeboten erhalten ehrenamtlich tätige Studierende zum einen die Gewissheit, dass die Verantwortlichen an der Hochschule sie wahrnehmen und hören; Zum anderen können verschiedene Meinungen einbezogen und Perspektiven auf die Unterstützung für das Ehrenamt zugelassen werden, die nicht nur für die Förderung des Ehrenamtes von Vorteil sein können, sondern die auch in Krisensituationen eine Kommunikationsbasis bieten. Ehrenamtliche, die im Austausch mit den Hochschulleitungen stehen, können dazu beitragen, Studierenden Entscheidungen oder Maßnahmen der Hochschulleitung nahe zu bringen, auch und gerade in Krisenzeiten. Das Verständnis der Studierenden für Maßnahmen in Krisenzeiten, welche die Studierenden einschränken, könnte so gestärkt werden. Auf der anderen Seite haben die Ehrenamtliche oft einen besseren Blick auf die Anliegen der Studierenden in Krisensituationen und können Alternativen vorschlagen, welche die Hochschulleitungen bis dahin nicht bedacht haben. Dieser Austausch muss bereits jetzt stattfinden, um einen Schutz in kommenden Krisen zu bieten.
Ehrenamt stärken
Es ist im Interesse der Hochschulen, das Ehrenamt attraktiv zu machen. Der Kongress stellt fest, dass eine Vielzahl an Maßnahmen dazu geeignet ist, das Ehrenamt für Studierende attraktiver zu gestalten. Ehrenamtlich aktive Studierende sollten Anerkennung für ihre Arbeit erhalten.
Möglichkeiten reichen von der Anerkennung durch Credit Points im Studium, beispielsweise über die Bereiche Studium Integrale/Generale oder Schlüsselkompetenzen, zur Anerkennung des an der Hochschule stattfindenden Ehrenamtes (mindestens zwei Semester) für Freischüsse bei Staatsexamensprüfungen. Eine weitere Möglichkeit sind Ehrenamtstage, bei denen die Ehrenamtlichen durch die Hochschulleitungen und die Statusgruppen Anerkennung finden. An diesen Tagen kann den Studierenden das Angebot gemacht werden, in einer Form von Messe beispielsweise, die Vielzahl an Einbringungsmöglichkeiten in Hochschulgruppen an ihren Hochschulen kennen zu lernen. Aber auch außerhalb von Ehrenamtstagen sollten Statusgruppen und Hochschulleitung eine offene Kommunikation mit den Initiativen und Hochschulgruppen führen, indem diese mehr beteiligt werden an Erarbeitungsprozessen und dem hochschulinternen Diskurs.
Der Kongress spricht sich dafür aus, dass jede Hochschulgruppe, die in der Matrikel ist, für Gruppentreffen unkompliziert einen leerstehenden Raum zur Verfügung gestellt bekommen soll. Sollten Schließungen der Hochschulen notwendig sein, fordert der Kongress die Hochschulen dazu auf, studentische Gruppen dabei zu unterstützen, ihre Arbeit weiter verrichten zu können.
Um das studentische Ehrenamt nach Krisen wieder zu aktivieren, fordert der Kongress, dass die Hochschulen über ihre Social-Media-Auftritte und über E-Mail-Verteiler Werbung für alle studentischen Gruppen machen.
Bei Einführungsveranstaltungen für Erstsemester, auch bei digitalen Veranstaltungen, sollen alle Gruppen in der Matrikel, die dies wünschen, die Möglichkeit erhalten, sich vorzustellen. Die Studierenden sollen so die Möglichkeit bekommen, direkt Ansprechpartner für die Gruppen zu finden, in denen sie mitwirken wollen.
Indem diese Maßnahmen regelmäßig durchgeführt werden, können Hochschulen langfristig und nachhaltig ehrenamtliches Engagement stärken. So kann präventiv das Ehrenamt an Hochschulen vor den Auswirkungen kommender Krisen geschützt werden und bei der Bewältigung selbiger helfen.