Die Situation der Lehre an den bundesdeutschen Hochschulen wird derzeit im wesentlichen durch zwei Faktoren negativ beeinflusst:

Zum einen durch die unzureichende Ausstattung der Hochschulen mit Mitteln, Räumen und Personal, so dass das Angebot an Vorlesungen, Seminaren und Übungen nicht dem notwendigen Maß entspricht. Überfüllte Veranstaltungen und katastrophale Betreuungsrelationen sind ein wesentlicher Kritikpunkt bei der Qualität der Lehre.

Zum anderen ist über diese aktuelle Einschränkung der Lehrleistungen hinaus die niedere Bewertung der Lehre im Vergleich zu Forschungserfolgen ein Grund für die geringe Motivation der Dozenten zu einer engagierten Lehrtätigkeit. Da die wissenschaftliche Reputation der Hochschullehrer nur durch ihre Forschungstätigkeit, nicht aber durch ihre Lehrerfolge begründet wird, besteht von ihrer Seite kein Interesse an einer attraktiven Darbietung des Lehrstoffes.

Um im Sinne der Studierenden neue Anreize für die Lehre zu schaffen, können nach Meinung des Bundesverbandes Liberaler Hochschulgruppen folgende Mittel als geeignet angesehen werden:

Ein sinnvoller Aufbau der Studiengänge, d.h. eine übersichtliche und strukturierte Gliederung der Stoffgebiete soll angestrebt werden. Statt der Überfrachtung einzelner Fachbereiche mit Detail und Spezialwissen sollten die Studienanforderungen und die Prüfungsordnungen an die heutigen Notwendigkeiten angepasst werden.

Die inhaltliche Qualität der Lehre, d.h. das Wissen und die Kompetenz des Dozenten, wird durch die Übertragung von aktuellen Forschungsergebnissen auf die Lehre ermöglicht. Dies bedeutet, dass sowohl die Auseinandersetzung mit der Forschung in der Lehre verstärkt werden muss als auch, dass es das Lehrdeputat aufzustocken gilt, um ein Gleichgewicht zwischen Forschung und Lehre herzustellen.

Die didaktische Aufbereitung, d.h. eine verständliche und nachvollziehbare Darbietung der Inhalte, kann dadurch gefördert werden, dass bei Berufungsverfahren die Qualität der Lehre vermehrt berücksichtigt wird. So erscheint es sinnvoll, die pädagogisch-didaktische Befähigung des Bewerbers durch einen gesonderten Nachweis zu belegen. Als positives Beispiel kann hier das System der Nachwuchsförderung in den USA gelten, wobei die Bewertung der Lehrleistungen durch die Studenten für eine weitere Berufung ein entscheidender Faktor sein kann. Darüber hinaus gilt es, gerade die Standardveranstaltungen der Lehre als sich stetig wiederholender Prozess attraktiver zu machen. Über finanzielle Anreize kann hier zwischen den Professoren ein Wettbewerb angeregt werden, so z.B. über einen Preis für herausragende Lehre, der vom Deutschen Hochschullehrerverband oder vom Stifterverband vergeben werden könnte. Ein weiterer Punkt wäre die Bereitstellung von Drittmitteln für gute Lehrleistungen, wie z.B. von am fähigen Nachwuchs interessierten Arbeitgebern.

Die Betreuungsqualität, d.h. die Möglichkeit des persönlichen Kontakts mit dem Dozenten bzw. die tutoriale Betreuung, ist ein wesentliches Kriterium für eine bedarfsgerechte und effektive Lehre. Durch die Einrichtung zusätzlicher AG s bzw. Tutorien kann in diesem Bereich der wissenschaftliche Mittelbau geschult und der Stoff vertiefend nachbereitet werden.

Langfristig muss durch eine Änderung im Finanzierungssystem der Hochschulen ein wirksamer Anreiz für den gesamten Lehrkörper geschaffen werden, die Lehre aus dem Reservat der „Privatangelegenheiten“ herauszuführen und zu einem gleichwertigen Bestandteil der wissenschaftlichen Arbeit aufzuwerten. Damit der Lehrleistung ein spürbarer Anteil an der wissenschaftlichen Reputation zukommt, muss sie sich dem Wettbewerb und der Kritik stellen – wie es bei der Forschung schon längst der Fall ist