1. Schaffung der rechtlichen und materiellen Voraussetzungen für eine soziale Grundbetreuung der Studierenden in den neuen Bundesländern

Mit dem Einigungsvertrag ist das bisherige Recht der DDR bezüglich der sozialen Absicherung der Studierenden außer Kraft getreten.

Um eine Kompatibilität der sozialen Sicherungssysteme zu erreichen, wurde das Bundesausbildungsförderungsgesetz in der ehemaligen DDR eingeführt.

Ergänzend dazu ist die Erarbeitung von Studentenwerksgesetzen dringend geboten, da die bisherige Studentenwerks‑VO am 30.6.91 außer Kraft tritt

Im Gegensatz zur bisher existierenden Studentenwerks‑VO ist eine ausreichende Repräsentation der Studierenden in den Verwaltungsräten gesetzlich zu fixieren.

Die Wirtschaftspläne der Studentenwerke in den neuen Bundesländern müssen in einem zügigen und unbürokratischen Verfahren genehmigt werden, um die Handlungsfähigkeit der neu gebildeten Studentenwerke herzustellen.

Die bisher de facto existierende Fachaufsicht der Wissenschaftsministerien der Länder über die Studentenwerke muss gelockert werden und sollte sich auf folgende Kontrollen der Wirtschaftspläne beschränken:

  1. die Satzungsmäßigkeit der Verwendung der Mittel des Studentenwerkes
  2. auf Gefahren der Überschuldung der Studentenwerke
  3. Sicherung eines Mindeststandards an Betreuung, dies betrifft vor allen Dingen die Bereiche, die vom Staat bezuschusst werden.

Eine weitergehende Kontrolle wirkt der Qualität der sozialen Betreuung der Studierenden entgegen, da die Studentenwerke in der Regel einen besseren Überblick darüber haben, wie die vorhandenen Gelder zur Gewährleistung einer höchstmöglichen sozialen Sicherheit effizient eingesetzt werden können.

Der Übergang sozialer Einrichtungen aus der Verantwortung der Hochschulen in die Verantwortung der Studentenwerke ist zu beschleunigen.

2. Finanzierung des Studiums

Durch die Einführung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes in den neuen Bundesländern mit dem 1.1.91 ist weitgehende Klarheit über die Möglichkeiten der Finanzierung des Studiums entstanden.

Eine Angleichung der Bedarfssätze an das Niveau in den alten Bundesländern in absehbarer Zeit ist daher unausweichlich.

In einer ersten Stufe sollten daher noch in diesem Jahr der Grundbedarfssatz (gemäß § 13 Absatz 1 Bundesausbildungsförderungsgesetz ‑ ohne Mietanteil) auf das Niveau in den alten Bundesländern angehoben werden, da mit Beginn dieses Jahres in vielen Bereichen die Subventionen des Staates weggefallen oder eingeschränkt worden sind (Energie, öffentliche Verkehrsmittel, Deutsche Bundespost), was zu starken Preiserhöhungen führte.Die Gelder aus dem Gemeinschaftswerk „Aufschwund Ost“ sollten nicht nur der Sanierung bestehender Wohnheimkapazitäten zur Verfügung stehen, sondern auch zunehmend für Investitionen der Studentenwerke im Bereich Studentenwohnheime verwendet werden dürfen.

Der freie Hochschulzugang in den neuen Bundesländern wird sich mittelfristig in einer drastischen Erhöhung der Studentenzahlen bemerkbar machen. Es ist daher nur eine Frage der Zeit bis die schon existierenden Wohnheimkapazitäten ausgeschöpft sind.

Daher kommt dem Studentischen Wohnungsbau eine wachsende Bedeutung zu.

Die Übergabe nicht genutzter Kasernen der früheren NVA, der Grenztruppen sowie durch den Abzug der sowjetischen Truppen frei werdenden Gebäude könnten nach einer Sanierung Abhilfe schaffen.

Darüber hinaus ist der Neubau von Studentenwohnheimen und eine Erschließung des: privaten Wohnungsmarktes erforderlich.

  1. Neubau von Studentenwohnheimen
    Der Neubau von Studentenwohnheimen in den neuen Bundesländern ist unumgänglich. In der alten Bundesrepublik haben sich vor allem fehlende Grundstücke zur Bebauung als Haupthemmnis für den Studentenwohnheimbau erwiesen. In den neuen Ländern besteht dagegen der Vorteil, das die Städte und Gemeinden zum Teil über eine große Anzahl von Grundstücken verfügen.
    Eine großzügige Vergabe von Erbbaurechten an zukünftige Träger von Studentenwohnheimen oder preisgünstiger Verkauf unbebauter Grundstücke könnte den studentischen Wohnungsbau wesentlich erleichtern. Der erforderliche Bauaufwand könnte neben den bisher üblichen Fördermaßnahmen durch Zinssubventionen für Kredite, die im Zusammenhang mit dem Bau neuer Studentenwohnheime aufgenommen werden, für den zukünftigen Träger/Eigentümer wirtschaftlich erleichtert werden.
  2. Erschließung des privaten Wohnungsmarktes
    Die Förderung von Maßnahmen der Schaffung von Wohnraum, der sich aufgrund seines besonderen Zuschnitts für in Ausbildung befindliche Personen besonders eignet durch private Anbieter kommt gleichfalls eine große Bedeutung zu. Durch Änderungen des bestehenden Mietrechts kann die private Untervermietung erleichtert werden, soweit die Nutzung nicht über das übliche Maß hinausgeht.
    Das Freiburger Modell (Prämien für Vermietung von Wohnraum an Studierende) wäre auch für die neuen Bundesländer nachahmenswert. Weiterhin könnten sich steuerliche Anreize als sinnvoll erweisen. Als Möglichkeiten der steuerlichen Vergünstigungen kommen im Rahmen von Änderungen des Einkommensteuergesetzes verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten in Betracht.
    Die Studentenwerke können durch Anmietung von privatem Wohnraum und Weitervermietung an Studierende, die Vorbehalte gegen den Studierenden als Mieter bei vielen Vermietern abbauen helfen, da die Studentenwerke im allgemeinen als seriös angesehen werden.

Im Rahmen des Aufbaus der Städte in den neuen Ländern wäre es wünschenswert, die Wohnbevölkerung in den Stadt‑ und Ortsteilen stärker sozial zu integrieren, um auf diese Weise besseres Verständnis zwischen den Bevölkerungsgruppen zu bewirken. Bei der Restaurierung von Stadtkernen z.B. sollten einzelne Häuser zur Nutzung als Studentenwohnheime vorgesehen werden. Die Städte und Gemeinden sollten dies bei der

städtebaulichen Planung berücksichtigen.Angesichts der für den Oktober 1991 geplanten Mieterhöhungen sollte der Mietanteil gemäß § 13 Absatz 2 Bundesausbildungsförderungsgesetz von bisher 50,00 DM auf 100,00 DM angehoben werden.

Die weiteren Entwicklungen der Bedarfssätze ist an die Mietentwicklung in den neu­en Ländern zu koppeln.

Der Bundesverband Liberaler Hochschulgruppen vertritt die Auffassung, dass eine gesamtdeutsche BAföG-Regelung nicht nur in einer Angleichung der Bedarfssätze bestehen kann.

3. Studentisches Wohnen

In der früheren DDR war mit der Vergabe eines Studienplatzes in der Regel auch die Zuweisung eines Wohnheimplatzes verbunden.

Daher ist der Anteil der Studierenden, die in Studentwohnheimen wohnen, weitaus höher als in der alten Bundesrepublik.

Die Studenwohnheime in den neuen Bundesländern bestehen aus zum Teil katas­trophaler Bausubstanz, so daß dringendes Handeln von Nöten ist. Ihr Komfort ist weitaus niedriger als in der alten Bundesrepublik und völlig unzureichend.

Gegenwärtig ist der Prozess der Überführung der Studentenwohnheime in die Ver­antwortung anderer Träger in vollem Gange. Es ist zu gewährleisten, daß alle exis­tierenden Studentenwohnheime von anderen Trägern übernommen werden. Dabei sind neben den Studentenwerken auch Kirchen, die Kommunen und private Träger denkbar.

Die rasche Überführung der Studenwohnheime in die Verantwortung anderer Träger kann durch den Abbau der Differenz zwischen den Bewirtschaftungskosten einer­seits und den Mieteinnahmen andererseits erleichtert werden. Die zu diesem Zwecke erforderlichen Mieterhöhungen dürfen jedoch nur im Rahmen der Erhöhun­gen im BAföG aufgrund gesetzlicher Mieterhöhungen zugelassen werden.

Durch Abbau des aufgeblähten Verwaltungsapparates im Bereich Studentenwohn­heime und den Sanierungsmaßnahmen, die Energieeinsparungen bewirken, sind Senkungspotentiale bei den Bewirtschaftungskosten auszuschöpfen, bevor es zu den erforderlichen Mieterhöhungen kommt.

Die bisherigen Pauschalmieten sind je nach Komfort der Studenwohnheime zu diffe­renzieren, um die bisherige Benachteiligung von Studierenden, die in Studenten­wohnheimen mit schlechtem Wohnkomfort wohnen, zu beiseitigen.

Die Modernisierung der bestehenden Wohnheimkapazität und die Änderung der Belegungsquote der einzelnen Zimmer sollte nur schrittweise vorgenommen werden, da sonst eine große Anzahl von Wohnheimplätzen verlorengehen würde. Allerdings muß die bauliche und die hygienische Zumutbarkeit im Einzelfall überprüft werden.

4. Probleme im Zusammenhang mit „Abwicklung“ von Fachbereichen und anderen Umstrukturierungsmaßnahmen

Der Einigungsvertrag stellte es in das Ermessen der jeweiligen Landesregierung über die Zukunft der Einrichtungen, die in der Verantwortung der Länder liegen, selbst zu entscheiden. Eine Entscheidung der jeweiligen Landesregierung über die „Überführung“ der jeweiligen Einrichtungen oder deren Auflösung, d.h. „Abwicklung“, sollte bis zum Januar 1991 getroffen werden.

Die meisten Landesregierungen entschieden sich dafür, die „ideologibelasteten“ Fachbereiche wie Rechtswissenschaften, Wirtschaftswissenschaften, Philosophie, Journalistik und zum Teil auch Pädagogik „abzuwickeln“. Für Studenten sah der Einigungsvertrag einen „Vertrauensschutz“ vor, d.h. ihnen sollte das weitere Studium trotz der „Abwicklung“ ermöglicht werden.

Der Bundesverband Liberaler Hochschulgruppen mißt dem Vertrauensschutz für Studenten große Bedeutung zu. Jedoch müssen Lehrinhalte und Prüfungsordnungen zügig den bundesdeutschen Standards angepaßt werden, um eine weitestgehende Kompatibilität mit einem vergleichbaren Studium in der alten Bundesrepublik und somit bessere Arbeitsmarktchancen zu erreichen. Der z.B. mit der Einrichtung „fliegender Fakultäten“ verbundene Schub bei der Qualität der Lehre sichert zudem, daß die neuen Studien‑ und Prüfungsordnungen auch in der entsprechenden Qualität umgesetzt werden.

Darüber hinaus müssen in den in Abwicklung befindlichen Einrichtungen die künftig zu besetzenden Lehrstühle rasch neu ausgeschrieben und besetzt werden, um das Vertrauen der Studierenden in die Qualität der Ausbildung zu sichern.

Professoren aus den alten Ländern sollen verstärkt in den neuen Ländern eingesetzt werden. Dazu müssen:

  1. die Bedingungen für den zeitlich begrenzten Aufenthalt wie möglich gestaltet werden,
  2. Anreizsysteme für diesen Austausch geschaffen werden,
  3. Ausgleichsmechanismen für die betroffenen westlichen Fachbereiche geschaffen werden (z.B. Einsatz von Assistenten).

Für die älteren Semester sollten Aufbaustudiengänge angeboten werden. In den Aufbaustudiengängen für die älteren Semester sollten unverzichtbare Kenntnisse entsprechend der jeweiligen Spezialisierungsrichtungen im Aufbaustudium vermittelt werden.

Durch eine BAföG‑Finanzierung für Aufbaustudiengänge sind die Studenten, die sich für eine derartige Form der Weiterbildung entscheiden, finanziell abzusichern.

Für die Immatrikulationsjahrgänge 1988 und 1989 sind Verlängerungen der regulären Studienzeiten unausweichlich, um die Qualität des Studiums dem in der alten Bundesrepublik üblichen Standard anzupassen.

Bei „Abwicklung“ ganzer Hochschuleinrichtungen impliziert der Begriff „Vertrauensschutz“ für den LHG eine unbürokratische Übernahme der betroffenen Studenten durch bestehende Hochschuleinrichtungen.

Die Entscheidungen über „Abwicklung“, aber auch Strukturveränderungen an den Hochschulen, schaffen große Unruhe bei Studierenden, wissenschaftlichen Mitarbeitern und Professoren. Häufig resultiert diese Unruhe aus Unkenntnis über die Entscheidungen und deren Hintergründe über mögliche Alternativen für die Betroffenen. Die Landesregierungen sind aufgefordert, die Entscheidungsfindung für die Betroffenen transparenter zu machen. Das Rede‑ und Stimmrecht von Vertretern der Studierendenschaft in den Evaluierungskommissionen ist sicherzustellen.

Vielfältige Beratungsangebote können den Betroffenen Alternativen und damit mögliche persönliche Perspektiven aufzeigen.Die Bereitschaft der Anpassung an neue Lehrinhalte ist dabei durch vielfältige Qualifizierungsmaßnahmen zu fördern.

Dabei sind vor allem den Lehrkräften, deren Entwicklungsmöglichkeiten aus politischen Gründen benachteiligt wurden, besondere Möglichkeiten einzuräumen.