1. Analyse

Die Entscheidung für eine akademische Ausbildung bedeutet in der Regel, auf mehrere Jahre hin auf Einkommen aus eigener Erwerbsarbeit weitgehend zu verzichten, und zwar in einem Lebensabschnitt (zumeist zwischen dem zwanzigsten und fünfundzwanzigsten, möglicherweise auch dreißigsten Lebensjahr), wo die Loslösung vom Elternhaus bereits eingesetzt hat oder – eben vom Finanziellen abgesehen – so gut wie abgeschlossen ist. Die Notwendigkeit, für den Bedarf einer an Wissenschaft und Technik orientierten Gesellschaft immer größere Teile der nachfolgenden Generationen mit einem Hochschulstudium auszustatten, hat dazu geführt, dass eigenständige Lebensführung und finanzielle Selbständigkeit für viele junge Bürger um ein Jahrzehnt oder mehr auseinanderfallen.

Das geltende deutsche Recht verweist die Studierenden auf Unterstützung durch ihre Eltern und gibt diesen auf, das Studium ihrer Kinder bis zum berufsqualifizierenden Abschluss zu finanzieren. Subsidiär, nämlich wenn das Einkommen der Eltern als zu diesem Zweck nicht zureichend angesehen wird, gewährt das Gesetz staatliche Ausbildungsförderung. Studienfinanzierung durch politische oder konfessionelle Stiftungen sowie durch private Mäzene können hier schon rein quantitativ außer Betracht bleiben. Da ein Studium in der Regel als Vollzeittätigkeit angelegt ist, kann Einkommen aus eigener Erwerbstätigkeit nur eine ergänzende Rolle spielen.

Für unbefriedigend hält der LHG das jetzige System der Ausbildungsförderung vor allem in folgenden den Fällen:

Die Eltern wollen das Studium ihrer Kinder trotz gesetzlicher Verpflichtung nicht finanzieren, etwa wegen abweichender Vorstellungen zur beruflichen Zukunft; der Anspruch auf Unterstützung ist somit nur auf dem Klagewege durchsetzbar.

Wegen der teilweise unrealistischen Bemessungssätze im Bereich der mittleren Einkommen ist es den Eltern gar nicht möglich, ihren Kindern angemessene Unterstützung zukommen zu lassen. Hier ist kein anderer Ausweg als Erwerbsarbeit neben dem Studium zu erkennen. Aus der staatlichen Ausbildungsförderung heraus fallen jene Studenten, die die jeweilige Förderungshöchstdauer überschritten haben (an den Realitäten der Hochschule gemessen oft eine illusorische Grenze). Von Einzelfallregelungen abgesehen, muss damit gerade in der Examensphase Erwerbsarbeit oft neben das Studium treten.

Problematisch ist darüber hinaus, dass die staatliche Ausbildungsförderung als Darlehen gewährt wird. Vor allem für solche Bevölkerungsteile, die staatliche Leistungen eher zurückhaltend in Anspruch nehmen und dem Gedanken einer Bildungsfinanzierung durch Kredit nur mit. Hemmungen nahetreten, werden hier zusätzliche Barrieren vor dem Bürgerrecht auf Bildung aufgebaut.

Konzepte, über eine Korrektur der staatlichen Ausbildungsförderung hinaus eine umfassende Reform unseres Systems sozialer Sicherung in Angriff zu nehmen und in diesem Rahmen auch den Weg der nachwachsenden Generationen in die Selbständigkeit einschließlich der Möglichkeit zur akademischen Ausbildung – auf eine andere finanzielle Grundlage zu stellen, werden in Wissenschaft und Politik zunehmend diskutiert.

2. Ausbildungsförderung

Die zwölfte Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerkes hat in Bezug auf das BAföG zwei wesentliche Sachverhalte aufgezeigt:

  1. Die Gefördertenquote ist weiter gesunken. Nur noch 22,6% aller Studierenden erhalten Mittel nach Bafög. Dabei erhalten nur ein Drittel aller Geförderten, also weniger als 8% der Studierenden, einen Betrag über 700,- DM.
  2. Das BAföG ist nicht an die tatsächlichen Lebenshaltungskosten angepasst. Es liegt sogar noch unter dem Durchschnittseinkommen aller Studierenden.

Daraus ergeben sich folgende Notwendigkeiten:

  • Der Kreis der dem Grunde nach BAföG-Berechtigten muss erweitert werden. Mehr Studierende aus diesem Kreis müssen Geld erhalten.
  • Die Geldmittel müssen erhöht werden.
  • Der vom Bundesbildungsminister vorgelegte Vorschlag zur Studienabschlussfinanzierung ist hier ein Schritt in die richtige Richtung, dem aber unbedingt weitere folgen müssen.

Der LHG fordert daher:

  1. Die Förderungshöchstdauer wird erhöht und den Realitäten an den Hochschulen angepasst. Zweit- und Aufbaustudiengänge werden sinnvoll in die BAföG-Förderung integriert.
  2. Die Freibeträge auf das Elterneinkommen nach §25 BAföG werden deutlich erhöht.

3. Erwerbstätigkeit

Obwohl das Studium an deutschen Hochschulen als Vollzeitbeschäftigung organisiert ist, ist die Erwerbstätigkeit bei Studierenden heute nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel. Das zeigt, dass die Studienfinanzierung durch Eltern und Staat bei weitem nicht ausreicht.

Die Annahme, Erwerbstätigkeit neben dem Studium diene nicht der Deckung von Grundbedürfnissen, sondern der Befriedigung von Luxusansprüchen der Studierenden, ist unzutreffend und wirkt im Ergebnis als sozialpolitische Demagogie.

Jedoch darf Erwerbstätigkeit von Studierenden zur Erfüllung ihrer Grundbedürfnisse nicht selbstverständlich werden. Vielmehr muss durch staatliche Instrumente wie das BAföG die Grundversorgung sichergestellt werden. Lediglich darüber hinausgehende Ansprüche sind durch eigene Erwerbstätigkeit zu decken.

Dabei sollte eine solche Tätigkeit das Studium zeitlich nicht über Gebühr belasten. Sie sollte das Studium sinnvoll ergänzen. Dies kann z.B. durch eine Tätigkeit an einem Forschungsprojekt an der Hochschule geschehen. Ebenfalls kann ein Praktikum sinnvoll sein, das Bezug zum Studium hat.

Hier ist zum einen der Staat gefragt, im Rahmen von Forschungsprojekten und in der Hochschulverwaltung genügend Mittel für die Beschäftigung studentischer Hilfskräfte bereitzustellen; zum anderen ist die Industrie gefordert, Praktikumsplätze zur Verfügung zu stellen und diese auch adäquat zu vergüten. Besonders für Studierende der Geistes- und Sozialwissenschaften muss hier das Angebot erweitert werden.