Moderne Wissenschaft – Reformen für die Promotion

Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. In diesen Freiheitsraum fallen vor allem die auf wissenschaftlicher Eigengesetzlichkeit beruhenden Prozesse, Verhaltensweisen und Entscheidungen bei dem Auffinden von Erkenntnissen, ihrer Deutung und Weitergabe. Geschützt wird nicht eine bestimmte, insbesondere politisch geprägte Auffassung von der Wissenschaft oder eine bestimmte Wissenschaftstheorie. Die Wissenschaftsfreiheit erstreckt sich vielmehr auf jede wissenschaftliche Tätigkeit, d. h. auf alles, was nach Inhalt und Form als ernsthafter planmäßiger Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist. Dies folgt unmittelbar aus der prinzipiellen Unabgeschlossenheit jeglicher wissenschaftlichen Erkenntnis.

Diese Freiheit der Wissenschaft ist umso bedeutsamer in einer Zeit, in welcher Politik bewusst wider wissenschaftliche Erkenntnisse betrieben, Tatsachen zu Meinungen umgedeutet, Fakten durch Fiktionen ersetzt werden. Nicht nur versucht „postfaktische“ Politik Wissenschaft zu diskreditieren, autoritäre Politik instrumentalisiert sie auch und stellt sie in den Dienst der jeweiligen Ideologie. Beide Phänomene sind bedrohliche Angriffe auf einen Eckpfeiler der offenen Gesellschaft.

Wissenschaft lebt von der ständigen Hinterfragung vorgefasster Ergebnisse, von der Stellung neuer Fragen und der Schaffung neuer Erkenntnisse, welche ihrerseits wieder zum Gegenstand neuer Erörterungen und Forschungen werden können. Ziel des Studiums ist nicht die bloße Repetition bisherigen Erkenntnisstandes, sondern die kritische Reflektion desselben.

Die Promotion ist der Nachweis der Befähigung zu eigenständigem, hochwertigem wissenschaftlichem Arbeiten. In ihr verwirklicht sich der Anspruch, nicht passiver Rezipient von Lerninhalten, sondern aktiv-produktiver Teil der Wissenschaft zu sein, auf herausgehobene Weise. Ihre rechtliche und akademische Ausgestaltung hat diesem Auftrag gerecht zu werden.

Der Bundesverband Liberaler Hochschulgruppen sieht die Promotion weiterhin als einen wichtigen Baustein guten wissenschaftlichen Arbeitens und damit als Garanten für den Wissenschaftsstandort Deutschland. Zugleich wird anerkannt, dass im Wissenschaftssystem Fehlentwicklungen eingetreten sind, welche den Wert der Promotion als Institution gefährden. Daher bedarf es einer umfassenden Evaluierung des Rechtsrahmens der Promotion.

Promotionsrecht und Promotionsberechtigung

Der Zugang zur Promotion wird durch die Promotionsordnungen geregelt. Mindestvoraussetzung ist ein akademischer Abschluss. Die Promotionsordnungen sollen durch die hinreichende Gewähr bieten, dass eine eigenständige, hochwertige wissenschaftliche Leistung möglich scheint. Dispense von allgemein festgelegten Leistungsanforderungen sind nur zulässig, wenn diese neben dem Betreuer auch ein externer Gutachter befürwortet.

Die Fachhochschulen bieten durch ihre Praxisnähe ein Studium, das für die Wirtschaftskraft von Regionen als Wachstumsquelle fungieren kann. Die Liberalen Hochschulgruppen fordern Universitäten auf, kooperierende Promotionsverfahren mit Fachhochschulen durchzuführen. Die Liberalen Hochschulgruppenfordern Fachhochschulen auf, die sich schwerpunktmäßig mit Forschung beschäftigen sowie ihren Studierenden breite Kenntnisse im Bereich Techniken wissenschaftlichen Arbeitens vermitteln in den jeweiligen Landeshochschulgesetzen ein gesondertes Promotionsrecht zu ermöglichen. Ein generelles Promotionsrecht für Fachhochschulen lehnt der Bundesverband Liberaler Hochschulgruppen ab.

Moderne akademische Strukturen schaffen

Das Wissenschaftssystem ist in Deutschland von dem Ordinarienprinzip gekennzeichnet, welches den einzelnen Professor als Lehrstuhlinhaber in den Vordergrund stellt und so von persönlichen Beziehungen geprägte Strukturen schafft, in welchen die jeweiligen Ordinarien durch die Auswahl der Promovenden entscheidenden Einfluss auf die Nachfolge haben. Ein solches System führt nicht nur auf individueller Ebene zu Abhängigkeitsverhältnissen, sondern auch zu einem selbstbezüglichen Wissenschaftssystem, das personelle Erneuerung strukturell erschwert und so innovative Erkenntnisse systembedingt hemmt.

Den Hochschulen sind daher im Rahmen einer größeren auch organisatorischen Hochschulautonomie verstärkt Möglichkeiten einzuräumen, den klassischen Lehrstuhl durch nicht personengebundene Fachbereiche zu ersetzen, dessen Leitung beispielsweise rotieren kann oder von mehreren Personen wahrgenommen werden kann.

Solche modernen Strukturen wirken auch auf die Promotion zurück, insoweit eine Nachfolge in die Stellung eines Betreuers möglich ist, weil das Betreuungsverhältnis zum Fachbereich und nicht dem Lehrstuhlinhaber besteht. Dies ist gerade in Fällen von krankheitsbedingtem Ausfall oder Tod des Betreuers wichtig. Die personelle Kontinuität kann im Übrigen auf Wunsch des Promovenden gewahrt werden.

Darüber hinaus kann die Betreuung der Dissertation nicht wie bisher durch lediglich eine akademische Bezugsperson, sondern mehrere Betreuer zugleich erfolgen. Dieses Vorgehen verhindert nicht nur den potenziellen Machtmissbrauch bei der Einzelbetreuung, sondern befördert auch die eigenverantwortliche Themen- und Schwerpunktsetzung sowie Reflexion der gewählten wissenschaftlichen Methoden des Promovenden und begünstigt somit interdisziplinäres Arbeiten.

Promotionsvorhaben rechtssicher ausgestalten

Die Ausgestaltung von Promotionsprogrammen ist Sache der Hochschulen bzw. der Binneneinheiten. Der Rechtsrahmen ermöglicht ihnen, eine Vielfalt an Promotionsprogrammen anzubieten, die neben der Dissertation in unterschiedlichem Umfang Veranstaltungen und wissenschaftliche Angebote und Leistungen beinhalten können, sowie auch auf eine stärkere Vernetzung von Promovenden zum Beispiel in Form von Doktoranden-Seminaren oder Kolloquien abzielen können.

Die Bewertung der Dissertation hat durch mindestens zwei Gutachter zu erfolgen; der Betreuer darf nicht selbst Gutachter sein. Es dürfen nicht alle Gutachter derselben Hochschule angehören. An der Disputation haben mindestens drei stimmberechtigte Prüfer teilzunehmen, darunter mindestens ein Prüfer, der nicht derselben Hochschule angehört. Gutachter- und Prüfungsausschussbesetzungen sind zu erfassen. Die Hochschulen haben sicherzustellen, dass „Dissertationskartelle“ von Professoren verunmöglicht werden. Insbesondere ist ein Wechsel von Gutachtern und Prüfungsausschussmitgliedern für die Promotionen desselben Betreuers vorzusehen.

Die nähere Ausgestaltung der einzelnen Promotion obliegt nach Maßgabe der Promotionsordnung der näheren Ausgestaltung des Promovenden und des Betreuers. Ist die Promotion mit einer Arbeitstätigkeit für den Betreuer oder einer dem Betreuer zuzurechnenden Stelle verbunden, so ist eine förmliche Promotionsvereinbarung zuschließen, welche die Rechte und Pflichten näher ausformuliert und die durch den Prüfungsausschuss zu genehmigen ist. Insbesondere sind Lehrdeputate und andere Tätigkeiten so zu bemessen, dass eine hinreichende Zeit für das Verfassen der Dissertation verbleibt. Die Promotionsvereinbarung soll regelmäßige, zu dokumentiere Zwischenbesprechungen vorsehen, in denen der Betreuer sich zum Zeithorizont äußert und konkrete Beanstandungen macht.

Qualität statt Quantität!

Bei der Förderung des akademischen Nachwuchses spricht sich der Bundesverband Liberaler Hochschulgruppen gegen eine zu erreichende Anzahl von Promotionen aus. Auch sind finanzielle Anreizstrukturen zu vermeiden, welche Hochschulen, Fachbereichen bzw. Betreuern Fehlanreize zu einer Inflationierung von Promotionen geben könnten. Vielmehr soll die Qualität der einzelnen Promotionen im Vordergrund stehen. Vorgaben zur Vergabe von Stipendien lehnen wir ab. Es wird die Förderung und der Ausbau von Promotionspreisen angeregt.

Die Promotionstätigkeit soll besser statistisch erfasst werden. So sind Zahl und Dauer der Promotionen auf Ebenen der Hochschulen sowie der einzelnen Lehrstühle und Fachbereiche zu ermitteln. Betreut ein Betreuer auffallend viele Promotionen oder werden diese in auffallend kurzer Zeit abgeschlossen, hat die Hochschule dem nachzugehen und insbesondere auch eine Kontrolle von Gutachter- und Prüfungsausschussbesetzungen vorzunehmen. Neben einer formalen, bekanntzumachenden Missbilligung ist für solche Fälle insbesondere durch die Wahrnehmung von Teilnahmerechten an der Disputation oder dem Äußerungsrecht zur Dissertation durch die Hochschule bzw. die Fakultät auf eine Abstellung etwaiger Mängelhinzuwirken.

Modernes Wissenschaftsverständnis statt “Promotionsadel”

Die Promotion ist ein wissenschaftlicher Grad, kein Adelstitel. Recht und Praxis fassen “den Doktortitel” aber in einer autoritären Tradition als Statussymbol auf und stellen ihn so beamtisch-soldatischen Rang- und Statusdenken gleich. Der Fokus auf die wissenschaftliche Leistung geht dabei zugunsten einer Herausstellung der eigenen Person verloren. Damit werden massive Fehlanreize geschaffen, eine Promotion nicht zum Zwecke wissenschaftlichen Arbeitens, sondern der Selbstdarstellung und Selbstvermarktung anzugehen. Dies schadet dem Institut der Promotion als ganzer und bindet zudem volkswirtschaftlich ineffizient Mittel, die in Hochschule und Wissenschaft zweckmäßiger eingesetzt werden könnten. So sind Promotionen auch außerhalb eines wissenschaftlichen Berufsfeldes weit verbreitet. Zudem findet meistens keine Anschlussverwendung des Promotionsthemas statt. Der Doktorgrad ist daher nicht mehr in offiziellen Dokumenten zu erfassen, insbesondere sind § 4 Abs. 1 Nr. 3 des Passgesetzes sowie § 5 Abs. 2 Nr. 3 des Personalausweisgesetzes aufzuheben. Zudem wird in offiziellen Schreiben und im Sprachgebrauch der Verwaltung nicht mehr der Doktorgrad als Teil der Anrede oder Namensbestandteil benutzt.

Ehrendoktorwürde abschaffen

Wissenschaftliche Leistung bemisst sich nach inhaltlichen Kriterien, nicht nach vermeintlicher Autorität der Forschenden. Demgegenüber hält sich eine wissenschaftsfremde Autoritätshörigkeit im Wissenschaftsbetrieb. Die Promotion dient dem Nachweis qualitativ hochwertigen Arbeitens. Die Ehrendoktorwürde dagegen dient ausschließlich der Aufhübschung der eigenen Reputation. Sie dient der wechselseitigen Steigerung von vorgeblicher Leistung durch Universitäten untereinander. Schließlich werden Ehrendoktorwürden oft auch ohne jeden vorgeblichen Wissenschaftsbezug aus politischen oder kulturellen Gründen vergeben. Solcher Etikettenschwindel beschädigt Wert und Funktion der Promotion. Bezeichnungen, welche eine Verwechslungsgefahr zu wissenschaftlichen Graden wie dem Doktor begründen, sind daher abzuschaffen. Der Doktorgrad ehrenhalber ist daher abzuschaffen. Bereits vergebene Grade dürfen aus Gründen rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes weiterhin geführt werden.

Leistung wertschätzen, Fehlverhalten ahnden – Effektive Plagiatsüberprüfung

Gutes wissenschaftliches Arbeiten ist die Basis für den Wissenschaftsstandort Deutschland. Umso erschreckender sind die zahllosen Plagiatsaffären. Der Wert der Promotion und damit die Leistung von Promovenden wird entwertet, wenn der Eindruck entsteht, dass Fehlverhalten systematisch unaufgeklärt bleibt und selbst erwiesene Plagiate nicht zum Entzug des Doktorgrades führen, gerade in politisch brisanten Fällen. Präventiv ist daher eine standardisierte Überprüfung auf Plagiate einzuführen. Betreuer trifft eine Pflicht, diese ordnungsgemäß durchzuführen.

Eine Dissertation stellt entweder eine eigenständige wissenschaftliche Leistung dar oder nicht. Entscheidungen von Hochschulen, trotz festgestellter Plagiate den Doktorgrad nicht zu entziehen, sind weder der Öffentlichkeit noch ehrlichen Promovenden zu vermitteln. Die Privilegierung täuschender Promovenden gegenüber Personen, die bei anderen universitären Leistungen täuschen, ist nicht länger hinnehmbar. Insbesondere gilt, dass bei sich aufdrängenden Zweifeln an der korrekten Zitierweise nachzufragen ist bzw. die Verwertung fremden Wissens im Zweifel zu unterbleiben hat. Der Doktorgrad ist zwingend zu entziehen, wenn entweder ein mindestens bedingt vorsätzlicher Täuschungswille angenommen wird oder der Umfang von Plagiaten ein disqualifizierendes Ausmaß an Fahrlässigkeit angenommen hat.
Letzteres ist der Fall, wenn über einen Einzelfall hinaus Angaben verschwiegen wurden. Die Hochschulen sollen Entscheidungen anonymisiert veröffentlichen und Rahmenwerte zum Begriff des „Einzelfalls“ und quantitative Richtgrößen aus ihrer Entscheidungspraxisveröffentlichen.

Personen, denen wegen wissenschaftlichen Fehlverhaltens der Doktorgrad entzogen wurde, sind zum wissenschaftlichen Arbeiten und der Ausbildung künftiger Wissenschaftler ungeeignet. Als Nebenfolge tritt ein Beschäftigungsverbot in akademischen Stellungen an allen deutschen Hochschulen von mindestens einem und höchstens fünf Jahren ein. Der Täuschende ist aus dem Beamtenverhältnis zu entlassen.

Akademische Vielfalt stärken – Wege und Alternativen zur Professur

Das Institut der Promotion schafft ein großes Potenzial an wissenschaftlichem Nachwuchs. Dieses wird durch verengte Karrierewege im aktuellen Wissenschaftssystem nicht vollständig abgerufen. Der klassische akademische Trichter mit einem schlanken, aus befristeten Stellen bestehenden akademischen Mittelbau und wenigen Professoren an der Spitze, hemmt auch insbesondere Personen mit Kinderwunsch und dem Bedürfnis nach sicherer Lebensplanung. Mutterschutzfristen dürfen nicht dazu führen, dass Promotionsvorhaben oder die diesen zugrundliegenden Projekte aus diesem Grunde scheitern.

Ergänzt werden soll der akademische Karriereweg durch Tenure Tracks, Juniorprofessuren und feste Stellen unterhalb der Lehrstuhlleitung. Im Rahmen einer Ausdifferenzierung können auch Stellen nur für die Lehre oder nur für die Forschung geschaffen werden. Für ehemalige Wissenschaftler, die verstärkt in der Wirtschaft tätig waren, soll der Wiedereinstieg in die Wissenschaft stärker gefördert und die Kriterien dafür individuell von den Hochschulen festgelegt werden. Im Rahmen eines Austauschs zwischen internem und externem Wissen sind diese so flexibel wie möglich zu gestalten.

Qualitätssicherung

Die Promotion ist kein Selbstzweck und auch nicht die bloße Fortsetzung des Studiums mit anderen Mitteln. Sie soll eine spezifische Thematik umfassend erörtern und einen Beitrag Stand der Wissenschaft leisten. Dies ist stärker zu verankern und soll Richtschnur für Betreuer und Gutachter sein.

Die bloße, wenn auch erschöpfende Zusammenfassung des wissenschaftlichen Schrifttums zu einer bestimmten Frage ist keine hochwertige, eigenständig-schöpferische Leistung. Promotionsanwärter haben in ihrem Promotionsgesuch substantiiert darzulegen, inwieweit die geplante Fragestellung bereits Gegenstand wissenschaftlicher Erörterung war und inwieweit die eigene Arbeit wesentlich über den Stand der Wissenschaft hinausgehen wird.

Außerdem fordert der LHG die Abkopplung der Notengebung bei experimentellen Arbeiten von der Paperveröffentlichung in Fachzeitschriften.

Die Zweitverwertung vorheriger Qualifikationsschriften oder eigener sonstiger Publikationen ist unzulässig. Die Qualität von Promotionen an einzelnen Hochschulen wird regelmäßig extern evaluiert. Dabei soll insbesondere bei empirischen Arbeiten Stichprobenartig die Plausibilität überprüft werden. Aufgrund der eklatanten Verstöße gegen die Menschenrechte sowie das systematische Verfassen von Promotionen in Gruppenarbeit ist es nicht hinnehmbar, dass bis heute Promovenden an den Hochschulen der Stasi ihren Doktorgrad ohne weiteren Hinweis führen dürfen. Wir fordern daher nach dem Vorbild der Forderung des Beauftragten für die Stasi-Unterlagenbehörde, dass der Doktorgrad, der an den Hochschulen der Stasi erworben wurde, nur mit einer Kennzeichnung zu führen ist.

Darüber hinaus sind Promotionen, die in der ehemaligen DDR im Rahmen der Rechtswissenschaft, der Volkswirtschaftslehre und den Sozialwissenschaften, ebenfalls mit einer entsprechenden Kennzeichnung zu versehen. Die Kennzeichnung einer Promotion in den zuvor genannten Fächern kann durch ein professorales Gutachten wieder aufgehoben werden.