Viele Studierende sind während ihres Studiums als studentische Hilfskräfte (SHK) oder Tutoren an Lehrstühlen und Forschungseinrichtungen beschäftigt. Wie viele Studierende dann eine Promotion beginnen, variiert von Fachbereich zu Fachbereich. Aber in allen Fachbereichen vergleichen Studierende die Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft und der Wirtschaft. Dabei schneidet die Wissenschaft schnell schlecht ab. Als Hauptgründe werden vor allem die geringe Vergütung und befristete Stellen genannt.
Die Liberalen Hochschulgruppen sehen dringenden Handlungsbedarf im Arbeitsfeld Wissenschaft, warnen aber auch vor Debatten um prekäre Beschäftigungsverhältnisse, wenn diese ideologisch geführt werden.
I. Leitbilder
Als Leitbild unserer Forderungen orientieren wir uns an der Freiheit in Forschung und Lehre, die auch im wissenschaftlichen Arbeitsverhältnis voll zur Entfaltung gebracht werden muss. Wir fordern aber umgekehrt von Wissenschaftlern exzellente Forschung und Lehre ein. Der Bundesverband Liberaler Hochschulgruppen befürwortet eine größere Durchlässigkeit zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung, sieht aber den allgemeinen Akademisierungstrend kritisch, dass akademische Grade über die akademische Qualifikation hinaus verklärt werden. Nicht jeder, der einen postgradualen Abschluss anstrebt, muss dauerhaft in der Wissenschaft beschäftigt sein wollen. Aber jeder, der einen postgradualen Abschluss anstrebt und deswegen wissenschaftlich arbeitet, muss den wissenschaftlichen Fortschritt mit innovativen Erkenntnissen mehren.
Gute wissenschaftliche Praxis und ein Heranführen der Nachwuchsforscher an den Wissenschaftsbetrieb muss die Arbeit in jeder Qualifikationsstufe prägen. Die Hochschule unterstützt dies mit einem Konzept der Personalentwicklung, das zielgruppenspezifische Informations-, Beratungs- und Fortbildungsangebote enthält, und fördert aktiv Alumnistrukturen auf allen Ebenen.
Unter dem Aspekt Arbeitsplatz Wissenschaft spielen auch die Vereinbarkeit von Familie und wissenschaftlichem Beruf sowie gleichstellungspolitische Fragen eine wichtige Rolle. Wir fordern familiengerechte Arbeitszeiten und Betreuungsmöglichkeiten für Kinder, insbesondere Ganztags-KiTa-Plätze und kurzfristige Betreuungsservices. Wir gehen dabei von einem weiten Familienverständnis aus, das alle Formen des verantwortungsvollen Zusammenlebens und auch besondere Bedürfnisse Pflegebedürftiger einbezieht.
Unsere Forderungen zum Arbeitsplatz Wissenschaft adressieren nicht nur Universitäten, sondern auch die außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Fachhochschulen.
Als Studierendenverband konzentrieren wir uns auf die Bedürfnisse von Studieren- den (II) und Promotionsstudierenden im akademischen Mittelbau (III), nehmen aber auch aus deren Sicht perspektivisch Postdocs und Professoren (IV) in den Blick.
II. Studierende – Studentische und wissenschaftliche Hilfskräfte
1. Nicht nur finanzielle, sondern auch ideelle Interessen
Wir halten es für falsch, die Beschäftigung als Studentische Hilfskraft ausschließlich auf finanzielle Erwägungen zu verengen. Studierende suchen hier ebenso engeren Kontakt zu Professoren, erste eigene Lehrerfahrung oder Mitarbeit an einem Forschungsprojekt. Auch sie haben insoweit teil an der Freiheit in Forschung und Lehre. Gleichzeitig stehen sie in einem Abhängigkeitsverhältnis zu ihrem Dienstvorgesetzten, bei dem sie auch Prüfungen und Abschlussarbeiten ablegen.
2. Arbeitszeiten und Vergütung
Diese Interessenlage darf nicht dazu führen, dass Studentische Hilfskräfte dauerhaft mehr als arbeitsvertraglich vereinbart und auf Abruf arbeiten müssen. Ebenfalls sollte die Tätigkeit angemessen vergütet werden.
3. Befristung
Es ist falsch, pauschal von prekärer Beschäftigung von Studentischen Hilfskräften zu sprechen und befristete Arbeitsverhältnisse bei Studentischen Hilfskräften zu verdammen. Die Tätigkeit als Studentische Hilfskraft ist von vorn herein keine Tätigkeit mit langfristiger Perspektive, sondern eine Durchgangsstation für eine spätere Karriere. Im Studium sind befristete Verträge vorzuziehen, um Planungssicherheit und Flexibilität für neue Projekte zu haben. Die Grenzen bildet nur die arbeitsrechtliche Befristungskontrolle.
4. Einstellung und Eingruppierungen
Jeder Lehrstuhl und jede Forschungseinrichtung darf sich für ein eigenes faires und leistungsorientiertes Verfahren zur Stellenvergabe für Studentischen Hilfskräfte entscheiden. Einen Zwang zur Ausschreibung lehnen wir ab. Die Universitätsverwaltung muss Einstellungsunterlagen schnell bearbeiten und die Vergütung muss fristgerecht ausgezahlt werden.
Als Studentische Hilfskraft soll nur eingestellt werden, wer noch kein Hochschulstudium abgeschlossen hat. Wer zumindest ein Bachelorstudium abgeschlossen hat, sollte im gleichen Fach nicht als Studentische Hilfskraft, sondern als Wissenschaftliche Hilfskraft (WHK) mit entsprechend höherer Vergütung eingestellt werden. Wer ein Masterstudium oder einen gleichwertigen Abschluss hat, soll als Wissenschaftlicher Mitarbeiter eingestellt werden. Einer höheren Einstufung aufgrund von Berufserfahrung oder besonderer Eignung darf aus unserer Sicht nichts entgegenstehen.
Die Zeiten eines befristeten Arbeitsverhältnisses als Studentische Hilfskraft sind nicht auf die zulässige Befristungsdauer von sechs Jahren vor der Promotion (§ 2 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG) anzurechnen.
5. Institutionelle Absicherung: Studierendenvertretung statt Personalvertretung
Um die Arbeitsbedingungen einzuhalten, bedarf es aber keineswegs einer Personalvertretung für Studentische Hilfskräfte. Es ist falsch, auf immer mehr Gremien an der Hochschule zu setzen, die nur Partikularinteressen vertreten und gegenüber dienstvorgesetzten Professoren und Hochschulleitungen schwach auftreten. Die Studierendenschaft darf nicht gespalten werden in Studierende mit und solche ohne Beschäftigungsverhältnis an der Universität. Vielmehr sind die Studierendenvertretungen auf Universitätsebene und Fachschaften gefragt, sich aktiv für die Belange von Studentischen Hilfskräften einzusetzen.
III. Akademischer Mittelbau – Promotionsstudierende, die wissenschaftliche Mitarbeiter sind
Im Folgenden konzentrieren wir uns auf Promotionsstudierende, die sogleich wissenschaftliche Mitarbeiter an einer Hochschule oder Forschungseinrichtung sind. Die wissenschaftliche Mitarbeit an einem Lehrstuhl ist nur einer von vielen Wegen zur Promotion. Im Übrigen verweisen wir auf den auf der 46. Ordentlichen Bundesmitgliederversammlung 2011 in Dresden beschlossenen Antrag „Individuelle Promotion in Vielfalt – Forschung für die Zukunft von Forschern mit Zukunft“.
1. Nicht nur finanzielle, sondern auch ideelle Interessen
Promotionsstudierende, die wissenschaftliche Mitarbeiter sind, sollten nicht nur ihr Dissertationsvorhaben bearbeiten, sondern beginnen, ihr eigenes wissenschaftliches Profil durch weitere Veröffentlichungen und Lehrtätigkeit zu schärfen.
2. Befristung
Bei den wissenschaftlichen Mitarbeitern mit Ziel der Promotion liegt die Interessenlage anders als bei den studentischen Hilfskräften. Es gilt auch hier, dass es falsch ist, pauschal von prekärer Beschäftigung zu sprechen und befristete Arbeitsverhältnisse abzulehnen.
Die Verträge sind grundsätzlich auf drei Jahre mit Verlängerungsmöglichkeit zu befristen. Die Regelungen des WissZeitVG sind in der ersten Qualifikationsphase gerecht und sollten beibehalten werden. Stellen als wissenschaftliche Mitarbeiter mit Ziel der Promotion bei ausschließlicher Lehrtätigkeit sind abzulehnen, da solche Stellen Dauerstellen sind, die auch als solche zu besetzen sind. Wissenschaftliche Mitarbeiter auf drittmittelfinanzierten Projektstellen brauchen Planungssicherheit.
3. Stellenzuschnitt und Arbeitszeiten
Das größte Defizit ist, dass in vielen Fachbereichen regelmäßig nur Teilzeitbeschäftigungen, insbesondere halbe Stellen, angeboten werden. Diese Praxis ist abzulehnen und je nach Fachbereich ganze, zumindest aber Zweidrittelstellen auszuschreiben. Außerdem ist arbeitsvertraglich ein Arbeitsanteil für die eigene Promotion zu regeln, der ein Drittel betragen sollte und unbedingt einzuhalten ist. Jedem wissenschaftlichen Mitarbeiter mit Ziel der Promotion ist ein Büroarbeitsplatz zur Verfügung zu stellen und die Möglichkeit zu gewähren, angemessen am Lehrstuhletat für Konferenzen und Arbeitsmittel teilzuhaben.
4. Eingruppierungen
Im bestehenden System sollten alle Doktoranden – egal ob mit Universitäts- oder Fachhochschulabschluss – mit Entgeltgruppe 13 des Tarifvertrags für den Öffentlichen Dienst eingruppiert werden. Dabei sollten Beschäftigungszeiten als Studentische Hilfskraft bei der Einordnung in Entgeltstufen berücksichtigt werden und Leistungszuschläge auch auf dieser Ebene gewährt werden.
IV. Ausblick: Akademischer Mittelbau im Übrigen und Professoren
Die Liberalen Hochschulgruppen sprechen sich für vielfältige Karriereperspektiven für promovierte Nachwuchswissenschaftler aus und erkennen an, dass nicht in allen Fachbereichen die W3-Professur das Karriereziel darstellen kann. Wir sprechen uns gegen die Juniorprofessur und fachbereichsspezifisch für klassische Habilitanden als akademische Räte auf Zeit sowie Postdocs und Nachwuchsgruppenleiter als mit Tenure Track ausgestaltete oder befristete Assistenzprofessoren (W2) aus. Hierbei müssen familienfreundliche Teilzeitbeschäftigungen vorgesehen werden. Durch die W-Besoldung ist bereits die Komponente der leistungsgerechten Bezahlung eingeflossen.
Auf Nachwuchswissenschaftlern, insbesondere Lehrstuhlvertretern und neu berufenen Professoren, darf nicht ein besonders hoher Lehrdruck mit einer Vielzahl von neu zu konzipierenden Lehrveranstaltungen lasten. Berufungsverfahren müssen transparent und zeitnah durchgeführt werden. Dem Votum der Studierendenvertreter, was die didaktische Qualifikation des Bewerbers angeht, ist besonderes Gewicht beizumessen. Die zweite Qualifikationsphase nach Wissenschaftszeitvertragsgesetz ist von sechs auf acht Jahre zu verlängern.
Die meisten Studenten streben heutzutage keine akademische Karriere sondern eine Beschäftigung in Wirtschaft oder Verwaltung an. Dem müssen auch die Universitäten Rechnung tragen. Honorarprofessuren bieten die Chance, unabhängig von tagesaktueller Forschung auch praktisches Fachwissen in die universitäre Bildung einfließen zu lassen. Hierbei sind der Qualität und Relevanz der Lehre besondere Bedeutung zuzumessen. Berufungen von Honorarprofessoren aus Prestigegründen lehnen wir strikt ab. Weiterhin fordern wir eine höhere Durchlässigkeit zwischen der Beschäftigung in Universität und Wirtschaft.
Die Pluralität der Karrierewege darf auch nicht an der äußeren Personalstrukturen halt machen: Je nach Fachbereich kann von der Lehrstuhlzentrierung an deutschen Hochschulen zugunsten einer Departmentstruktur abgewichen werden, wenn es der Profilbildung in einzelnen Fachbereich zuträglich ist. Die Entscheidung hierfür sollte der Fakultät obliegen.