Hierarchische Strukturen sind besonders anfällig für Machtmissbrauch. Dies trifft auch auf das Verhältnis von akademischem Hochschulpersonal und Studierenden zu. Professoren und andere Hochschullehrer entscheiden über die Vergabe von Arbeits-, Seminar- und Promotionsplätzen, die Notenvergabe, in Extremfällen auch über das endgültige Nichtbestehen. Sie haben es in der Hand, durch Nutzung ihrer Machtposition wie ihrer Netzwerke das berufliche Fortkommen von Studierenden erheblich zu fördern oder aber zu behindern. In solchen Abhängigkeitsverhältnissen ist der Missbrauch einer Machtstellung erheblich erleichtert. Insbesondere kommt es wieder zu missbräuchlichem sexuellem Verhalten. Der Fall eines Erfurter Wissenschaftsphilosophen, der trotz rechtskräftiger strafgerichtlicher Verurteilung im Disziplinarverfahren nicht aus dem Dienstverhältnis entfernt, sondern lediglich zu einer temporären Kürzung der Dienstbezüge verurteilt wurde, warf ein Schlaglicht auf die Zustände an deutschen Hochschulen. Für die Betroffenen ist es ein nur schwer erträglicher Zustand, womöglich Lehrveranstaltungen bei einer Person ableisten zu müssen, bei der rechtskräftig festgestellt worden ist, dass sie ihre Stellung derart ausgenutzt hat.

Die Liberalen Hochschulgruppen fordern vor diesem Hintergrund:

  • Die Straftatbestände der Vorteilsannahme und der Bestechlichkeit sind um Qualifikationstatbestände für den Fall zu verschärfen, dass die Tat sich auf sexuelle Handlungen mit einer Person bezieht, die dem Täter als Amtsträger gegenüber ein Abhängigkeitsverhältnis hat oder die sich in einer Zwangslage befindet. Unter den gleichen Voraussetzungen ist ein weiteres Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall der sexuellen Belästigung vorzusehen.
  • Allen Hochschulangehörigen sind verstärkt Fortbildungen und Sensibilisierungsveranstaltungen zum Thema Machtmissbrauch und sexuelle Belästigung anzubieten.
  • Die Einführung einheitlicher und hochschulübergreifender Regelungen für die Definition, Meldung, Untersuchung und Ahndung von Missbräuchen.
  • Doktorranden, wissenschaftliches Personal sowie studentische Hilfskräfte werden zu Beginn ihres Anstellungsverhältnisses durch die Hochschule ausführlich über ihre Rechte, insbesondere die zuständigen Vertrauensstellen informiert.
  • Studierende, die Opfer einer Sexualstraftat oder sonst pflichtwidriger sexueller Handlungen geworden sind, haben nach rechtskräftiger Verurteilung in jedem Falle das Recht, Lehrveranstaltungen mit dem Täter nicht besuchen zu müssen; ihnen sind alternative Angebote zu machen.